Veränderung beginnt mit Akzeptanz

Akzeptanz

Hast du schon einmal darüber nachgedacht, was es bedeutet, etwas wirklich zu akzeptieren? Wie fühlt sich das an? Ich habe erst in dem Prozess, nüchtern zu werden gespürt, was es wirklich bedeutet, etwas voll und ganz zu akzeptieren. Und ich stelle fest, es gibt sie immer wieder, diese Momente, in denen ich mich entweder für Akzeptanz oder für Widerstand entscheiden muss.

Eine Veränderung beginnt mit der Akzeptanz. Wobei das nicht von heute auf morgen stattfindet, sondern ein individueller Prozess ist, der seine Zeit braucht.

 

In meiner Zeit als Trinkerin gab es viele Momente, in denen ich wusste, dass sich etwas ändern muss. Und je nachdem wie stark mich die Realität einholte, wusste ich auch, dass ich selbst etwas ändern muss.
Ich habe mir oft eingeredet, dass die chronische Müdigkeit, mein Mangel an Selbstwertgefühl, die überflüssigen Kilos, die Reibungen in der Beziehung zu meiner Tochter und anderen mir wichtigen Menschen, meine Ausstrahlung, Konzentrationsschwächen und vor allem mein Glück von äußeren Einflüssen abhingen. Und ich habe mich immer gewundert, warum die Probleme bleiben und sich nichts verändert. Schuldzuweisungen und Selbstmitleid haben mich nicht wirklich weitergebracht, obwohl ich darin gut geübt war. Ich dachte der Schlüssel zum Glück wird mir irgendwann ausgehändigt, wenn ich nur lange genug leide.

 

Es gab aber auch die Momente, in denen ich wusste, dass ich aufhören muss zu trinken. Dass eine Veränderung stattfinden muss, für die nur ich allein die Verantwortung trage. Die Entscheidung, mit dem Alkoholtrinken aufzuhören, forderte eine gewaltige Portion Mut ein. Und ohne die Akzeptanz, dass ich wirklich abhängig vom Alkohol war, hätte ich mich nicht dafür entscheiden können. Ich habe endlich voll und ganz akzeptiert, dass das Wort „süchtig“ und „alkoholabhängig“ zu mir gehört.

 

Ich kann mich an zahlreiche Versuche erinnern, mir das Gegenteil zu beweisen. Ob Tests im Internet oder eine verzerrte Realität, die ich mir vorlog, Vergleiche mit „schlimmeren“ Trinkern und Trinkerinnen, und der Versuch die Akzeptanz gegen Stagnation einzutauschen, haben mich viele Jahre dazu gebracht durchzuhalten, zu kämpfen, Gefühle zu unterdrücken und zu verdrängen. Eine große Lüge, die nur allmählich in ihrem Konstrukt zerbröckelte. Heute kann ich diese Lüge erkennen. Ein Bild, das ich von meinem Leben hatte, indem ich selbst nicht vorgekommen bin, weil ich stets betäubt war und mich nicht wirklich erkennen konnte.

 

Das heißt nicht, dass ich von morgens bis abends betrunken war. Im Gegenteil – ich war eine unheimlich gut funktionierende Alkoholabhängige. Nein, es sind die Gründe, aus denen ich trank, gekoppelt mit der Regelmäßigkeit, die mich und meine verletzten Gefühle betäubten. Eine verblendete Sicht meines Lebens und die Verleugnung meiner Persönlichkeit. Es gibt zwei Gründe, die zu einer Veränderung führen: Entweder äußere Umstände oder, weil wir unzufrieden mit uns sind.

 

Viele fragen sich, was dazu führt, dass manche Süchtige plötzlich den Dreh bekommen und sich gegen ihre auserwählte Droge entscheiden.

In meinem Fall war ein äußerer Umstand der auslösende Moment zusammen mit dem Leidensdruck, der sich allmählich als unerträglich und nicht kompatibel mit meiner Rolle als Mutter erwies. Es gab diesen Moment, indem ich wusste, ich muss da jetzt genau hinschauen. Wo befindest du dich? Was hat sich in den letzten Jahren geändert und was waren meine Ziele? Was läuft eigentlich falsch? Warum versuche ich mein Leben zu zerstören? Warum kann ich nicht aufhören?

 

 

 

Und diese Frage führte mich zu der Akzeptanz, die es brauchte, den ersten Schritt in die richtige Richtung zu gehen.


Zu sagen: „Ich bin alkoholabhängig.“

 

Das Gefühl von Verletzlichkeit, Nacktheit und die Angst vor dem Ungewissen zog mir regelrecht den Boden unter den Füßen weg. Gleichzeitig jedoch spürte ich die Auflösung von Stagnation, Kontrolle und Misstrauen.

Ich habe verstanden, dass ich es bin, die den Schlüssel zum Glück in den Händen hält.

Das Gefühl von Vertrauen übernahm die Führung. Ich ließ mich fallen. Ich war verletzlich, ich hatte meinen Panzer abgelegt. Im Laufe des Nüchtern-Sein-Prozesses stelle ich fest, dass nach nun über drei Jahren Abstinenz immer noch Teile dieses Panzers abbröckeln. Ich begegne dem Satz „ich bin süchtig“ immer wieder auf einer neuen Ebene von Akzeptanz: Mit immer weniger Panzer und wachsender innerer Stärke, die mich nun aufrecht hält.

Aus dieser Perspektive kann ich sie nun gut erkennen: Die Lüge, die mein Leben bestimmte. Die Unfähigkeit zu erkennen, von wieviel Liebe ich stets umgeben war. Und die Blindheit, die mir den Blick auf die richtige Tür trübte, die es galt zu öffnen, um meine eigenen Ressourcen zu finden, um Dinge verändern zu können. Die Akzeptanz ist der Beginn einer Veränderung. In unserer Gesellschaft ist Trinken durchaus akzeptiert. Ein Alkoholproblem zu haben, jedoch nicht. Es lastet ein Stigma auf denen, die die Kontrolle über das gesellschaftlich akzeptierte Kulturgut Alkohol verloren haben.

 

Sie gelten als charakterschwach und willenlos. Gerne werden Abhängigen mehr oder weniger die gleichen Eigenschaften, Erfolgschancen und Bewertungen zugeteilt. Dabei ist jede Geschichte eines Süchtigen oder einer Süchtigen einmalig. Zwar gibt es ein paar erkennbare Parallelen. Alle in eine Schublade zu stecken und dementsprechend einen Lösungsweg zu formulieren ist falsch.

Jeder Mensch ist ein Individuum mit eigener Geschichte, eigenen Gefühlen, Erfahrungen und Interpretationen.

Es braucht eine ganzheitliche Sicht auf die Dinge, in die du als einzigartiges Wesen integriert bist. Du musst genau hinschauen, wo du dich befindest, welche Konstrukte deiner vermeintlichen Realität du dir überstülpst und wie du dich davon befreien kannst. Schritt für Schritt.

 

 

Wenn du darüber nachdenkst, ob du ein Alkoholproblem hast, kann ich dir sagen, dass du eins hast. Wenn du den Mut noch nicht hast genau hinzuschauen, weil die Angst noch überwiegt, dann möchte ich dir sagen, dass du schon viel Mut beweist und den ersten Schritt in Richtung Auflösung machst, indem du Texte wie diesen liest.

 

Denk daran, es gibt diese Tür. Nur du selbst besitzt den Schlüssel, um sie zu öffnen. Und du wirst überrascht sein, was alles zum Vorschein kommen wird. Wahrscheinlich hast du dieses Gefühl schon länger, dass da etwas ist, was größer ist, als es momentan sein kann. Du hoffst, dass alles eines Tages besser wird.


Das ist der Kontakt zu dir selbst. Du bist mit dir in Kontakt. Schau hin, wie es ist und frage dich, wie es sein soll. Der Alkohol versucht dir einzureden, wie wichtig er in deinem Leben ist. Er erscheint übermächtig. Er hat die Gestalt von Godzilla angenommen. Du glaubst, er beschützt dich, aber er macht dich Stück für Stück kleiner, hinter einem Panzer, der immer mehr die Oberhand gewinnt.


Alkohol lügt dich an – komplett und durch und durch. Dir ist es im Moment noch nicht möglich, das zu glauben. Vielleicht glaubst du ohne Alkohol nicht leben zu können. Aber das stimmt nicht. Wenn du abhängig bist vom Alkohol, dann lebst du nicht.

Akzeptiere, dass du nur versuchst, etwas zu kompensieren und dass der Alkohol im Moment noch das Mittel ist um durchzuhalten. Aber du verfügst über wertvolle Ressourcen, die dich auch ohne Alkohol durch das Leben führen. Dann wirst du Glück erfahren können, dass aus dir herauskommt.

Du bist nicht schuld an deiner Sucht.

Ich weiß, dass du mit viel Kraft versuchst, es richtig zu machen. Ich weiß, dass du kämpfst und viel Energie aufbringen musst, um das aufrecht erhalten, was ist. Glaube daran, dass auch du es schaffen kannst, dich wirklich anzuschauen, zu akzeptieren, was du siehst und in dich zu vertrauen – dass du das Leben finden kannst.

 

„Lasst uns danach streben, die Gelassenheit zu erreichen, die unvermeidlichen Dinge anzunehmen, den Mut, die Dinge zu ändern, die wir können, und die Weisheit, eins vom anderen zu unterscheiden.“
(Franz von Assisi)

 

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