Frauen und Alkohol

Alkohol und Emanzipation

Als Jugendliche habe ich es gerne mit den Jungs aufgenommen. Beim Armdrücken und auch beim Trinken. Ich wollte einfach dazu gehören. Gleichberechtigt sein und auch meine „Stärke“ und Widerstandsfähigkeit als Mädchen zum Ausdruck bringen. Ich wollte nie einfach nur „chic und hübsch“ sein, ich wollte auch stark und mutig, frei und wild sein. Leider bin ich nicht auf die Idee gekommen dass ich das nur ohne Alkohol wirklich sein kann. Dazu kam, dass Alkohol bestimmte Hemmungen unterdrückt hat und mir schon sehr früh als soziales Schmiermittel gedient hat.

Als die Emanzipation der Frau noch nicht so weit fortgeschritten war, spielte ihr „Benehmen“ in der Öffentlichkeit eine große Rolle. Die Frau war vor allem in gehobenen Schichten die „schönere Hälfte“ des Mannes. Sie hat zu seinem Ansehen beigetragen. Es gehörte sich nicht für eine Frau sich in der Öffentlichkeit einen Schwips anzutrinken, oder aus einer Bierflasche zu trinken. Dieses Stigma ist teilweise in unserer heutigen Zeit noch immer gültig. Der Mann mit dem Whiskey-Glas, oder der Bierflasche in der Hand gilt noch heute als stark, maskulin und ansehnlich. Betrunkenheit wird weitaus eher akzeptiert, als bei der Frau. Sie gilt als eher peinlich und unschön.

Eine Frau, die ein langstieliges Glas in der Hand hält, ein Buch in der anderen, vielleicht im Café, wo sich ihre Kinder derweilen in der Spielecke austoben und dazu noch attraktiv ist. Das entspricht heute dem allgemein akzeptierten Bild in unserer Gesellschaft. Dass die Frau am Abend, wenn die Kinder schlafen und mit dem*der Partner*in zum Feierabend ihre wohlverdiente Flasche Wein „genießt“, bekommt niemand mit. Vor allem alleinerziehende Frauen trinken oft heimlich, wenn sie allein sind.

„Es besteht ein nachweisbarer Zusammenhang
zwischen dem Grad an Emanzipation in einem
Land
und dem Anteil an Alkohol, den Frauen
dort konsumieren.“

Sara Peschke, SZ-Magazin

In einem Artikel des SZ-Magazin zitiert Sara Peschke Jürgen Rehm, einer der führenden Forscher von Alkoholsucht: „Es besteht ein nachweisbarer Zusammenhang zwischen dem Grad an Emanzipation in einem Land und dem Anteil an Alkohol, den Frauen dort konsumieren.“

Ich möchte an dieser Stelle klarstellen, dass ich mir für jede Frau, die aus diesen Gründen zu viel Alkohol konsumiert, andere Problemlösungsstrategien wünsche, als eine Rückentwicklung ihrer Emanzipation.
Doch ist es meiner Meinung nach sehr wichtig, diesen Zusammenhang zu verstehen. Die wichtigste Frage, die wir uns stellen sollten ist, inwieweit wir uns selbst treu sind.

Die allgemeine Erwartung an Frauen ist, dass sie alles können sollten, und zwar perfekt, ohne, dass es anstrengend aussieht.

Diese Frauen, die oft viele Aufgaben neben Beruf und Karriere gleichzeitig stemmen müssen, kümmern sich um die Kinder, versuchen eine gute Ehefrau, oder Partnerin zu sein und machen nebenbei noch Sport, um „sexy“. zu sein. Das führt gerne mal zu physischen und psychischen Belastungen, wie Selbstzweifel, Depressionen, Angstzuständen, Schlafstörungen, usw.… Deswegen neigen Frauen eher zur „Selbstmedikation“ durch Alkohol (und häufig leider zusätzlich durch Medikamente!). Männer trinken angeblich eher zur Belohnung.

Internationale Studien zeigen, dass sich der Alkoholkonsum zwischen Männern und Frauen, geboren in den 90-gern, kaum noch unterscheidet. Bastian Willenborg, Chefarzt der Oberberg Kliniken sagt in einem Artikel des Spiegel:  „War ein problematisches Trinkverhalten zu Beginn des letzten Jahrhunderts bei Männern noch dreimal so verbreitet wie bei Frauen, lagen Männer zum Ende des 20. Jahrhunderts nur noch geringfügig vorne.“ Damit gehören Frauen eindeutig mit zur Risikogruppe. Das ist nicht allein auf die Konsummenge zu beziehen, sondern auch auf die besonderen Gesundheitsrisiken, denen Frauen ausgesetzt sind.

Der Körper einer Frau baut Alkohol langsamer ab. Das liegt am höheren Fettanteil (bei Frauen etwas 50%, bei Männern etwa 40%) und dem entsprechend niedrigerem Wasseranteil, der den Alkohol verdünnt. Außerdem beginnt der Abbau von Alkohol beim Mann schon im Magen, bei der Frau erst im Darm. Für ein Glas Bier braucht der weibliche Körper etwa drei Stunden, der männliche nicht einmal zwei. Man kann sich vorstellen, dass Frauen deshalb nicht nur schneller betrunken sind, sondern auch das Risiko für Gehirnschäden, Herz- und Krebserkrankungen steigt.

 

Da ich hier über Frauen spreche, ist es mir besonders wichtig, zu erwähnen, dass Alkohol das Brustkrebsrisiko erhöht! Und zwar schon um 50% bei 50 g (etwa 0,5l Wein) Alkohol pro Tag. Ralf Schneider - die Suchtfibel

Schon kleine Mengen erhöhen den Östrogenspiegel im Blut um 30-40%, der neben genetischer Veranlagung das Tumorrisiko fördert. Frauen, die an Brustkrebs erkrankt sind, sollten lieber gar keinen Alkohol trinken.

 

 

Das klingt alles sehr beängstigend. Ich möchte keine Angst schüren, aber darauf hinweisen, was Alkohol in unserem Körper anrichten kann. Und das sollte meiner Meinung nach nicht beschönigt werden!

Ich weiß genau, wie viel einfacher es ist, sich am Abend ein Glas Wein einzuschenken und sich den Streß damit herunterzuspülen, anstatt sich Zeit für eine Yoga-Einheit einzulassen. Es geht viel schneller in den Schlaf zu finden, als irgendwelche Entspannungsübungen zu machen, oder tagsüber an der frischen Luft Sport zu treiben.
Im voll gepackten Alltag mal eben ein Schluck zur Beruhigung, oder zum Mut antrinken vor dem Gespräch mit dem*der Vorgesetzten. Es gibt so viele Situationen, die man vermeitlich einfach mit Alkohol lösen kann. Aber der Preis dafür ist viel zu hoch.

 

Dank der Emanzipation haben wir Frauen heute (zumindest auf dem Papier) alle Möglichkeiten. Wir können uns um die Familie kümmern und wir können Karriere machen. Wir können eine gute Ehefrau (Partnerin) und sportlich attraktiv sein, weil wir obendrein noch Sport treiben, damit der Bauch bloß flach bleibt. Wir können soviel Sex haben, wie wir wollen und mit wem wir wollen und obendrein endlich Orgasmen haben...

 ... und wir können trinken so viel wir wollen. Sogar Whiskey können wir!

 

Photo by Justin Aikin on Unsplash

Die Wein- und Werbeindustrie hat sich die „emanzipierte Frau“ längst zu eigen gemacht. Im Internet kann man T-Shirts mit der Aufschrift „Mama braucht Wein“ kaufen!

Leonardo bietet ein Muttertagsgeschenk-Set aus Weinfalsche- und Glas für die beste Mama der Welt an. Und sogar Yoga läßt sich gut mit Wein verbinden. Es gibt sogar Anbieter, die „Yoga and Wine“-Programme verkaufen!

 

Wein gehört für viele Frauen zu einem

gesunden und gehobenen Lebensstil.

 

In einem FocusOnline Artikel habe ich bahnbrechendes gelesen: „Wein gehört für viele Frauen zu einem gesunden und gehobenen Lebensstil, wie die Ergebnisse einer Umfrage bei FOCUS Online zum Thema „Frauen und Wein“ beweisen. Laut neueren Marktforschungen gibt es bald eine Domäne weniger, die das männliche Geschlecht für sich in Anspruch nehmen kann: Die Liebe zum Wein.“ Da sind wir jetzt angekommen. Immer mehr Frauen trinken Alkohol und immer mehr Frauen werden abhängig.

Auf meinem Weg in die Nüchternheit ist mir bewusst geworden, dass es einen ganz individuellen Prozess braucht(e), der zu mir selbst führt(e). Nein zu sagen, Grenzen zu setzen, meine Wünsche zu verstehen und begehren zu können. Ich möchte keine Erwartungen mehr erfüllen müssen, die nicht meinem inneren Streben nach Selbstbestimmung entsprechen. Ich möchte gut genug sein und auch Fehler machen dürfen. Ich finde, wir müssen nicht alles können. Versuchen wir es jedem recht zu machen, bleibt nicht mehr genügend Energie für uns selber. Und dann hilft oft nur noch ein Glas Wein, oder auch mehr.

 

Für mich war der Wein stets ein verlässlicher Partner, der mir, wie ich mir immer vorlog, eine Stütze war. In Wirklichkeit hat er mich wirklich stark geschwächt. Mein Nervenkostüm lag ständig blank, er hat meiner Haut geschadet, mich unkreativ, unmotiviert und sehr ungeduldig gemacht. Ich war einfach immer ausgebrannt. Vor allem aber fühlte ich mich einsam. Weil mich in meinem Kämmerchen von allem abschottete. Ich konnte mir nicht mehr selbst vertrauen.

 

Ich habe es aus diesem Kämmerchen heraus geschafft. Ich habe dem Alkohol den Rücken gekehrt und kann seit dem endlich wieder klar sehen. Ich kann endlich wieder die schönen Dinge im Leben erkennen. Ich weiß endlich wer ich bin und was ich will. Als Mensch ... und als Frau.
Als Frau habe ich für mich erkannt, dass Emanzipation vor allem bedeutet, eigene Entscheidungen zu treffen. Und das fällt mir deutlich leichter, seit dem mich mich entschieden habe keinen Alkohol mehr zu trinken.

 

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